Der Ursprung eines Lebensgefühls

Sechsfüßiges Offroad Insekt: LESA LUF III A Fahrgestell Unimog 6x6

Der Ursprung eines Lebensgefühls: Sechsfüßiges Offroad Insekt: LESA LUF III A Fahrgestell Unimog 6x6
Erstellt am 29. September 2017

Winter 1974, es ist dunkel und es ist kalt. Kalt? Draußen ist es bitterkalt. Meterhoch liegt der Schnee. In der Fahrerkabine des orangefarbenen Unimogs ist es warm. Die Instrumente beleuchten Papas Gesicht ein wenig und die Augen des Sohnemanns strahlen vor Aufregung. Der Motor brummt monoton, die Scheibenwischer rubbeln ihren seichten Rhythmus. Im gelblichen H4 Scheinwerferlicht glitzern Millionen von Puderschneekristallen wie Sternenstaub. Vom breiten Räumschild aus wabern hoch beschleunigte Schneewellen an den Fahrbahnrand und verschwinden in der Dunkelheit. Das, durch Unregelmäßigkeiten im Fahrbahnbelag erklingende Kratzen der Metallkante auf dem Asphalt, versetzt das ganze Fahrzeug hin und wieder in dumpfe Resonanz. So infizierte der Vater seinen Sohn Peter Hennig vor 40 Jahren. Ob er als Räumfahrzeugfahrer auch diese Romantik verspürt hat? Jedenfalls genoss der kleine Peter jede Fahrt mit seinem Vater. Unimogs gehören seitdem zu seinem Leben auf dem Land in Halsenbach/Ehr im Hunsrück bei Koblenz einfach dazu. Die kultigen Lastesel sind nicht aus dem Alltag auf dem Land weg zu denken. Sie übertrumpfen oft herkömmliche zweiradangetriebene Schlepper.

Die erfolgreiche Jagd

Kein Wunder das Peter selber einen universellen Mercedes  haben musste, als er alt genug für den Führerschein war. Einen? Ja, mit einem fing es vor 20 Jahren an. Ein Unimog 411 war der Erste in seiner Sammlung. Nachdem der restauriert war und sein H Kennzeichen hatte, folgte ein 416, 404 BW, 416  mit Doppelkabine,… Peter Hennig tauchte mit der Zeit immer weiter in das Unimog Universum ein. Er verschlang jegliche Fachliteratur, die ihm unter die Augen kam. So ergab es sich eines Tages, dass er von den Unimog 6x6 las. Nach einiger Recherche kam er zu dem Schluss, dass gerade einmal 27 von den 6x6 gebaut wurden. In der Zeitschrift des Unimog-Club Gaggenau, in dem der Unimog-Fan natürlich Mitglied ist, las Peter dann von einem 6x6 in Deutschland. Den Besitzer traf er bald bei einem Kippertreffen in Frankfurt und die Beiden fachsimpelten. Spätestens da war klar, dass der Kauf eines 6x6 Peter Hennigs nächstes Ziel war. Er sperrte Augen und Ohren auf und erfuhr tatsächlich über Umwege von der Existenz eines weiteren 6x6 in Deutschland. Er fand sogar den Namen und die Telefonnummer des Besitzers im Saarland heraus. Der Eigentümer des Traumlasters staunte nicht schlecht über den Anruf aus heiterem Himmel. Nur zwei Tage zuvor beschloss dieser zufällig, seinen 6x6 zu verkaufen. Nach einer Weltreise stand der 6x6 drei Jahre ohne TÜV still. Er hatte dadurch Standschäden und rostete vor sich hin. Reparaturen waren fällig. Peter Hennig durfte sich den sechsrädrigen Allradler anschauen. Als er mit seinem frisch restaurierten gelben 4x4 Doppelkabiner Unimog auf den Hof fuhr, wusste der Verkäufer, dass sein seltenes Arbeitstier in gute Hände kommen würde. Sofort ging eine Anzahlung über den Tisch und ein paar Tage später wurde der nicht fahrtüchtige 6x6 Offroad König bei Peter Hennig angeliefert und vom Anhänger gezogen. Eineinhalb Jahre dauerte es, das sechsfüßige Arbeitstier zu restaurieren. Unterstützt durch die Mithilfe seines Sohnes. Die Karosserie wurde von innen und außen in Eigenarbeit aufbereitet und lackiert, der Motor wurde abgedichtet, das Getriebe wurde überholt, die Pendelachsenlager wurden erneuert, genau so, wie die Bremsen…. Die Ersatzteilbeschaffung ist selbst heute noch kein Problem. Mercedes eben. Der wohl einzige weitere existierende 6x6 Unimog Doppelkabiner steht mittlerweile in Amerika: http://unimog-forever.com/Specialties/6x6-CrewCab/eLesa.htm Peter hat in den letzten 20 Jahren von keinem weiteren Doka gehört.

Lastesel im Unruhestand

Peters Unimogflotte ist im Ruhestand. Die Lastenesel fahren nur noch zu Treffen. Arbeiten müssen die Offroadinsekten mit H Kennzeichen nicht mehr. Manchmal dürfen sie noch auf einer Geländeteststrecke zeigen, wozu sie fähig sind, aber ziehen müssen sie nur noch gelegentlich einen Wohnwagen, wenn ein Unimogtreffen mal weiter entfernt ist. Der 6x6 war frisch restauriert und gerade 3 Wochen angemeldet, als er mir in Ladenburg begegnete. Wo auch immer der große Unimog auf taucht, beeindruckt er die Passanten in der Stadt und ist gleichzeitig Sympathieträger auf dem Land. Dort werden dann Erinnerungen wach, da die Unimogs das Leben der Bevölkerung im Winterdienst, auf dem Feld, oder im Forst erleichterten. Die Unimogs hatten seit je her Allradantrieb. Da konnte kein Lkw oder Traktor in schwerem Gelände mit halten. Der 6x6 Antrieb setzt dem Multitalent die Krone auf. Im Gelände  gab es bisher kein Hindernis, welches Peter Hennig mit seinem Koloss nicht bewältigen konnte.

Fahreigenschaften, wie ein Raupenfahrzeug

Die Firma Lesa-Konstruktionen in Schevenhütten bei Aachen entwickelte auf Basis des Unimog Spezialfahrzeuge. Sie waren für  den Einsatz in extrem unzugängliche Gegenden bestimmt. Angedachte Verwendungen waren:  Militäreinsatz, Rettungsdienste, Forschungseinsätze, Grubenbetrieb, Zivilschutz, Katastrophenhilfe... Der Lesa Unimog wurde für Einsätze entwickelt, bei denen eigentlich Kettenfahrzeuge angebracht wären. Der Einsatz vom 6x6 ist aber weniger kostspielig. Das 6x6 Ungetüm ist im Vergleich zu seinen 4x4 Unimog Kollegen 1 Tonne schwerer und etwas länger.  Er hat einen etwas größeren Wendekreis und wirkt etwas behäbiger, aber in der Ruhe liegt ja bekanntlich die Kraft. Auf der Autobahn macht sich bei Vmax 90km/h der größere Radstand und die zusätzliche Hinterachse positiv beim Geradeauslauf bemerkbar. Der Triebkopf wurde von der Firma Lesa nicht angerührt. So ist die Wartung durch Mercedes Benz Servicestützpunkte uneingeschränkt möglich.

Der Zweck heiligt die Mittel

Der 6x6 wurde von Lesa auch als Baustellenfahrzeug dazu entwickelt, um schweren Lasten im absolut unwegsamen Gelände zu transportieren. Die Firma   PRAKLA-SEISMOS Geomechanik GmbH in Uetze bei Celle entwickelte in den 70er Jahren Vibratoren und fahrbare Bohrgeräte unter Anderem für den Sechsfüßler. Diese Spezialunimogs wurden zum bohren von Brunnen, aber auch für seismologische Arbeiten im Auftrag der Erdölindustrie genutzt. Zweiachsige 406 416 haben eine Zuladungskapazität von 3,4 bis 4 Tonnen. Der 6x6 darf gigantische 6,5Tonnen zuladen. Bis zum Anfang der 80er Jahre hat Prakla 500 Unimogs ausgerüstet. Die 6x6 wurden auf der ganzen Welt eingesetzt. Im Iran/Irak, in sämtlichen Wüsten, im Dschungel von Australien… Die Praklafahrzeuge  zogen wie eine Karawane mit bis zu 8 Fahrzeugen im Konvoi durch das Einsatzgebiet. Unterschiedliche Aufbauten dienten zum Transport von Bohrtürmen, Bohrgestängen, Mannschaften, Sprengstoff, Seismiksonden und Empfängern, Auswertungscomputern… So wurden die Geologischen Eigenschaften der verschiedenen Regionen untersucht, ausgewertet und Bohrungen zur Gewinnung von Bodenproben durchgeführt. Damals füllte ein IBM Computer das gesamte Volumen des Containeraufbau eines Unimogs. Der 6x6 mit der Bohrausrüstung war damals ein extrem kostspieliges Fahrzeug. Die Anschaffung dieser Spezialausrüstung und die Suche nach Bodenschätzen lohnte sich jedoch. Man bedenke nur, wie viel Geld im Spiel war, wenn wirklich ein Ölfeld gefunden wurde. Bei Rheinbraun, dem Braunkohletagebauunternehmen im NRW kamen ebenfalls dreiachsige Unimogs mit Allradantrieb zum Einsatz.

Nachgebohrt: Weltenbummler

Auch Peter Hennigs Lesa Doka Unimog 6x6 trug einmal ein solches Bohrgerät. Nach der kurzen Dauer seiner ursprünglichen Bestimmung wurde der geländegängige Geo-Truck an einen Privatmann verkauft. Ausgemustert wurde der Unimog zum Individualurlaubsmobil umgebaut. Mit einer Jupiterkabine im Huckepack ging es erneut auf Weltreisen. Dann stand der Unimog 15 Jahre in der Nähe von Aachen ungenutzt in der Garage herum. Der 3. Besitzer wohnt im Saarland und suchte genau so ein unverwüstliches Wohnmobil der Extraklasse. Das Unimog Sixpack erhielt erst mal eine Frischzellenkur. Mit Solarzellen auf dem Dach und wieder verkehrstüchtig machte sich der Geländestürmer im Jahr 2002 auf seine 3. Weltreise.

Aller guter Dinge sind 3

Nun glaubte sich Peter sogar bereit für eine Mondfahrt und am Ziel seiner Träume. Endlich besaß er einen 6x6 und hatte seine Vergangenheit recherchiert. Da er aber auf der Suche nach seinem Traumwagen förmlich Gott und die Welt verrückt gemacht hat und jeden angesprochen hatte, der auch nur im Entferntesten irgendetwas mit Unimogs zu tun hat, kam, was kommen musste. Eines Tages bekam Peter einen Anruf aus den Niederlanden:

U bent toch op zoek naar een Unimog 6x6? Ik heb er één! Bent U geinteresseerd? Wilt U deze kopen? „Sie suchen doch einen Unimog 6x6? Ich habe einen! Sind Sie an dem interessiert? Wollen Sie den kaufen?“

So machte Peter sich auf die Reise nach Holland. Dort erwarb er das Schwesterfahrzeug von seinem Doppelkabiner, wie sich vor Ort herausstellte. „Der Neue“ ist ebenfalls ein Prakla-Seismos-Bohrgeräteträger. Er verfügt über einen Drehkranz zwischen dem Führerhaus und dem Verbindungsrahmen. Dieses Element gab es nur bei wenigen Fahrzeugen mit der Normalkabine. Anhand der Seriennummer erkennt man, dass der  Lkw nur 3 Monate älter ist, als das 6x6 universale Motorgerät mit Doppelkabine.

Wie der Zufall es will, meldete sich 6 Monate später wieder jemand und sagte: „Da steht noch so einer mit 3 Achsen rum“.  Es handelte sich wieder um einen Lesa 416 6x6, aber diesmal als Cabrioversion mit Faltverdeck und ex Kranaufbau. Auch dieser verfügt über den Drehkranz, hinter der Kabine. Den kann man während der Fahrt sperren, oder öffnen. Einmal Blut geleckt gab es für Peter kein Halten und er musste diesen Unimog auch kaufen. Nach gründlicher Recherche sieht es so aus, als wäre es der einzige je gebaute Unimog 6x6 Cabrio. Von vielleicht noch 9 Unimog 6x6 weltweit haben also bisher drei den Weg nach Halsenbach/Ehr im Hunsrück gefunden. Peter Hennig denkt schon wieder an das nächste Restaurationsobjekt, welches in der Halle wartet. Der Jäger und Sammler nennt sein Hobby allumfassend: „Kulturgutpflege historischer Fahrzeuge". Das 6x6 Cabrio muss noch restauriert werden. Es bleibt spannend und wir bleiben in Kontakt mit dem Stolzen Sechser Besitzer.

Technische Daten Unimog Triebkopf U 100T

6x6 Allradantrieb mit schaltbaren Differentialsperren

Baujahr: 1974

Motortyp: OM 352 6 Zylinder

Motorleistung: 100Ps

Bereifung: 6x 12,5-20 10PR

Leergewicht: 4400kg

Zulässiges Aufbaugewicht: 6600kg

Zulässiges Gesamtgewicht: 11000kg

Federung: vorne Schrauben, hinten Blattfedern

Steigfähigkeit: max. 60%

Bremsanlage:

Fußbremse: hydraulisch mit Druckluftunterstützung

Handbremse: Federspeicher auf 4 Hinterräder wirkend

+Motorbremse

 

4 Kommentare

  • Mercedes-Fans.de

    Mercedes-Fans.de

    Hallo Jerome, schicke uns doch mal ein paar Fotos zu deinem 6x6. Da sind wir jetzt neugierig! Viele Grüße und bon voyage ;-)
  • Rolf Gussen

    Rolf Gussen

    Hallo zusammen Habe mal bei der Firma gearbeitet leider gibt es sie nicht mehr ist auch schon 30 Jahre her. Zu meiner Zeit sind ca. 50 bis 60 Fahrzeuge gebaut worden.
  • Henß

    Henß

    Hallo, das ist ja interessant das es noch ein LESA Fahrgestell gibt. Es dürften dann weltweit 10 Stück sein die noch laufen. Gruß vom 6-Rädermike.
  • Jérôme CampingTrucks

    Jérôme CampingTrucks

    Hallo, ich habe auch einen Unimog 6x6 lesa luf 3 Camper, ich bin in Frankreich, wenn Sie weitere Informationen wünschen, kontaktieren Sie mich! skabou@msn.com

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