Das Jahr 1971 war eins voller spannender Ereignisse. Die USA verbot Zigarettenwerbung im Fernsehen, Greenpeace wurde gegründet, das Wahlrecht für Frauen in der Schweiz wurde eingeführt, die TV-Sendung "Die Sendung mit der Maus" wurde erstmals ausgestrahlt und Mercedes-Benz präsentierte mit dem R107 den neuen Seriensportwagen mit Stern. Die Baureihe 107 sollte das schwere Erbe der allseits beliebten Pagode W113 antreten. Keine leichte Aufgabe...Wir schnappten uns einen Mercedes-Benz 500 SL von 1982 und ließen den 240 Pferden freien Lauf.
Rückblende: Vor 50 Jahren schlägt Mercedes-Benz im April 1971 ein neues Kapitel in der faszinierenden Geschichte der SL-Sportwagen auf: Der 350 SL ist der erste SL der Marke mit V8-Motor in der Serie und das erste Modell der Baureihe R 107, die erstmals das Buchstabenkürzel „R“ für „Roadster“ trägt. Der völlig neu entwickelte, offene Zweisitzer mit vollversenkbarem Stoffverdeck und abnehmbarem Hardtop überzeugt als sportlich-luxuriöses Fahrzeug und verbindet Leistung und Fahrkomfort optimal miteinander. Noch im selben Jahr leitet Mercedes-Benz von der Baureihe R 107 die viersitzigen Oberklasse-Coupés der Baureihe C 107 ab.
Mercedes-Benz SL Baureihen von damals bis heute Sommernachtsträume: Der Mercedes-Benz SL
Der R 107 reiht sich nach dem 300 SL-Rennsportwagen (W 194) von 1952, den 300 SL-Seriensportwagen (W 198, als Coupé von 1954 bis 1957 und als Roadster von 1957 bis 1963), dem 190 SL (W 121, 1955 bis 1963) sowie nach den „Pagoden“-SL der Baureihe W 113 (1963 bis 1971) in die Ahnenreihe der SL-Historie ein. Im Jahr 2021 schreibt die Marke mit dem Stern die Tradition der SL-Sportwagen mit dem Mercedes-AMG SL der Baureihe R 232 weiter.
Keine technischen Gemeinsamkeiten mit der W113 Pagode
Der R 107 wird von 1971 bis 1989 produziert und in dieser Zeit mit Modellpflege und neuen Motorisierungen stets aktuell gehalten. Abgesehen von der G-Klasse ist kein Mercedes-Benz länger im Programm. Mit der direkten Vorgängerbaureihe W 113, dem „Pagoden“-SL, hat der vor 50 Jahren vorgestellte Mercedes-Benz 350 SL keine technischen Gemeinsamkeiten. Stattdessen schlagen die Konstrukteure Brücken zum aktuellen Personenwagenprogramm der Marke: Vorder- und Hinterradaufhängung orientieren sich beispielsweise an den „Strich-Acht“-Typen der oberen Mittelklasse. Der 147 kW (200 PS) starke V8 Motor mit 3.499 Kubikzentimetern Hubraum ist aus den Oberklassefahrzeugen Mercedes-Benz 280 SE 3.5 der Baureihen W 111 (Coupé und Cabriolet) sowie W 108/109 (Limousine) bekannt.
Zu den technischen Innovationen des offenen Sportwagens gehören die weiterentwickelte Sicherheitskarosserie mit einer eigenständigen Rahmenbodenanlage aus Blechen unterschiedlicher Stärken für ein definiertes Knautschverhalten, der kollisionsgeschützt über der Hinterachse eingebaute Kraftstofftank, hochfeste Stähle in den A-Säulen und der Frontscheibenrahmen mit eingeklebtem Glas sowie der Innenraum mit neuem Vierspeichen-Sicherheitslenkrad, gepolsterten Flächen und deformierbaren Elementen als Beitrag zur passiven Sicherheit. Ab März 1980 erhält dieser SL das Antiblockiersystem ABS und ab Januar 1982 Fahrerairbag sowie Gurtstraffer als ergänzendes Rückhaltesystem – die Systeme sind als Sonderausstattung zu haben.
Der 500 SL mit 240 PS kommt zur Modellpflege 1980
Nach dem Debüt mit dem 350 SL baut Mercedes-Benz das Programm der Baureihe kontinuierlich aus. 1973 erscheint auf den europäischen Märkten der 165 kW (225 PS) starke 450 SL ebenfalls mit Achtzylindermotor, der ab Herbst 1971 zunächst dem Export nach Nordamerika vorbehalten ist. 1974 folgt der Sechszylindertyp 280 SL (136 kW/185 PS). Damit ist nun erstmals in der SL-Historie eine Baureihe in drei verschiedenen Motorisierungen erhältlich.
Spitzenmodell 500 SL: Technische Rafinessen für den Roadster
Zur Modellpflege 1980 löst der 380 SL (160 kW/218 PS) den 350 SL ab, und der 500 SL (177 kW/240 PS) wird statt des 450 SL zum neuen Spitzenmodell. Bei der umfangreichen Überarbeitung wird unter anderem das Interieur der Sportwagen den S-Klasse-Limousinen der Baureihe 126 angepasst. Außerdem aktualisieren die Ingenieure zahlreiche technische Systeme, beispielsweise die Getriebe. Äußerlich wirkt sich die Modellpflege nur dezent aus, unter anderem mit Motorhauben aus Leichtmetall und Frontspoiler. Der 500 SL erhält außerdem den Leichtmetall-Kofferraumdeckel mit schwarzem Kunststoff-Heckspoiler des SLC-Coupés mit 5-Liter-V8-Motor.
1985 kommt der 300 SL mit 3-Liter-Sechszylindermotor
1985 präsentiert Mercedes-Benz erneut ein komplett überarbeitetes Typenprogramm der Baureihe R 107. Neben leichten Veränderungen des Exterieurs mit 15-Zoll-Rädern und einheitlichem Frontspoiler für alle Typen sowie einer verbesserten Vorderradaufhängung mit Lenkrollradius Null steht vor allem eine aktualisierte Motorenpalette im Vordergrund. Ein Highlight für alle Fans der Sportwagen mit dem Stern ist dabei der 300 SL mit 3-Liter-Sechszylindermotor. Denn dieser 138 kW (188 PS) starke Sportwagen bringt jene Typbezeichnung zurück ins Programm, mit der die SL-Geschichte im März 1952 beginnt. Neu ist auch der 420 SL (160 kW/218 PS), während der 500 SL (180 kW/245 PS) einen überarbeiteten Motor mit elektronischer Zündanlage und der elektronisch-mechanisch gesteuerten Einspritzanlage Bosch KE-Jetronic erhält. Spitzenmodell der Baureihe R 107 ist der 560 SL mit spektakulärem 5,6-Liter-V8-Motor. Er bleibt jedoch dem Export nach Nordamerika, Japan und Australien vorbehalten. Sämtliche Typen werden nun mit geregeltem Dreiwegekatalysator angeboten.
237.287 Roadster verlassen das Werk in Sindelfingen
Im August 1989 endet die Produktion der Baureihe R 107 nach mehr als 18 Jahren. Insgesamt entstehen in dieser Zeit im Mercedes-Benz Werk Sindelfingen exakt 237.287 Fahrzeuge. Heute sind die offenen Zweisitzer gesuchte Klassiker: Die luxuriöse Sportlichkeit fasziniert bis zum jetzigen Tag.
Leichter Sportwagen mit M117-V8-Triebwerk
Wie fährt sich ein 50 Jahre alter "Sportwagen" eigentlich heutzutage? Ist von "Sport" und "Leicht" noch etwas übrig geblieben? Unsere Wahl fällt auf den 500 SL. Der 500er kam allerdings neun Jahre nach der 350 SL-Weltpremiere und ist somit erst, 41 Jahre jung. Als Quelle der Kraft dient dem SL ein 5-Liter großer V8. Die Acht-Zylinder-Maschine mit der Bezeichnung M117 erzeugt stattliche 240 PS und kann den Roadster auf immerhin 220 km/h beschleunigen.
Beim platznehmen hinter dem Lenkrad fällt uns wieder auf, dass der R 107 nicht unbedingt ein Raumwunder ist. Für uns wird es hinter dem großen, runden Steuer schon etwas eng. Sportwagen eben...
Mittels 4-Gang-Automatik gehts flott voran
Mit einer beherzten Umdrehung aktivieren wir die Zündung und der V8 beginnt an zu säuseln. Kein blubbern, kein fauchen - eher ein gediegenes, wertiges, voluminöses brummen. Herrlich! Mittels 4-Gang-Automatik legen wir den Hebel auf "D" und cruisen los. Das Wetter ist herrlich, das Verdeck offen und wir gleiten mit dem 500 SL durch das Stuttgarter Hinterland. Das Leben kann so leicht sein...
Vor 50 Jahren als Seriensportwagen auf den Markt gekommen, hat der R 107 kein bisschen Charme und Sportlichkeit verloren. Im alltäglichen Verkehr können wir mit dem 500 SL locker mitschwimmen, dank der starken V8-Maschine sind sogar kurze, schnelle Zwischensprints ein echter Genuss! Von überall fliegen die Daumen - der R 107 scheint ein echter Publikumsliebling zu sein!
Wertzuwachs für den Mercedes-Benz SL R 107
Übrigens: Der R 107 ist nicht der erste SL mit einem V8. Mitte der 1960er Jahre fummelte die Mercedes-Benz Entwicklungsabteilung unter Rudolf Uhlenhaut einen 6,3-Liter V8 aus dem W109 in den damals aktuellen SL der Baureihe W113. Es blieb allerdings bei diesem einen Einzelstück. Der R 107 ist dagegen der erste SL, bei dem der V8 Einzug in die Serie erhielt. 50 Jahre nach der Weltpremiere wirkt die Baureihe keineswegs angestaubt, ganz im Gegenteil: Der R 107 erfreut sich nach wie vor höchster Beliebtheit.
Im vergangenen Jahr verzeichnete der Mercedes-Benz einen enormen Wertzuwachs. Der Deutsche Oldtimer Index (DOX), den der Verband der Automobilindustrie (VDA) jährlich veröffentlicht, verriet uns, dass der Mercedes-Benz Roadster R 107 mit 19% Zuwachs glänzen konnte. Die Pagode W113 dagegen musste im letzten Jahr an Wert einbüßen und viel um 10 Prozent, allerdings auf einem durchschnittlich mehr als doppelt so hohen Wertniveau (86.000 Euro) wie ihr Nachfolger R107.
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