Wer in den 60/70er Jahren als (westlicher) Staatschef etwas auf sich hielt, der paradierte standesgemäß im Mercedes 600 Pullman durch die Straßen. Denn der imposante Mercedes 600 war einer wie keiner: Stattlich, komfortabel, prachtvoll – und bei Bedarf auch schnell. Viele hochgestellte Repräsentanten fuhren daher auf den großen Mercedes ab. So auch der Präsident des Senegal, der diese 1973er Limousine in den staatlichen Fuhrpark beorderte.

Ehre, wem Ehre gebührt

„In einer Zeit als es kein Vergehen war, seinen Reichtum zur Schau zu stellen, war der 600er das automobile Äquivalent von Monaco. Er ist ein Meisterwerk der Ingenieurskunst, ein Quantensprung über seine Konkurrenz und definiert das Wort Überfluss neu“, urteilt die englische Zeitschrift Classic & Sportscar zutreffend über den Mercedes 600.

Ein “Großer“ muss wieder ins Mercedes-Programm

Zunächst musste ein solches Auto aber erst einmal erdacht und konstruiert werden! Denn zu Beginn der 1960er Jahre fehlte Mercedes-Benz genau so eine Luxuslimousine der Sonderklasse als würdiger Nachfolger des “Groβen“ Mercedes aus der Vergangenheit. Diese Lücke wurde im September 1963 mit der Präsentation des gänzlich neuen Mercedes 600 (W100) anlässlich der Frankfurter IAA geschlossen.

Darf's ein bisschen mehr sein...?

Die mit allen nur erdenklichen Komfortaccessoires ausgestattete Neuentwicklung schöpft ihre beachtlichen Kräfte (250 PS) aus einem 6,3 Liter großen V8-Zylinder-Motor mit Benzineinspritzung und obenliegenden Nockenwellen – dem ersten Mercedes-Motor dieser Art. Zudem verfügt der W100 über eine einstellbare Luftfederung, ein Viergang-Automatikgetriebe, Scheibenbremsen an allen Rädern, Servolenkung, Zentralverriegelung und einer separat einstellbarer Klimaanlage für vorne und hinten.

Nützliche Helfer gehen den Passagieren zur Hand

Ferner verwöhnt eine ausgeklügelte Komforthydraulik die Insassen mit mannigfaltig einstellbaren Sitzen, Fensterhebern und Zuziehhilfen an Türen und Kofferraumdeckel. So umsorgt, konnten sich die hochgestellten Repräsentanten ganz auf die wichtigen Staatsgeschäfte – oder total entspannt aufs huldvolle Winken - konzentrieren.

Schwarz, lang, stark!

Die Pullman-Limousine misst eine Länge von riesigen 6,24 Metern. Aufgrund ihres Raum- und Komfortangebots war sie sowohl bei Staatslenkern als auch diversen Päpsten sehr beliebt. Acht Personen finden bequem im Mercedes Platz. Trotz seines erheblichen Gewichts ist der 600er aber erstaunlich schnell und absolviert den Spurt von 0 auf 100 km/h in unter 10 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit liegt jenseits von 200 km/h.

Ein W100 auf diplomatischer Mission in Afrika

Insgesamt wurden lediglich 428 Pullman-Limousinen mit langem Radstand gefertigt. Unser Fotomodell trat 1973 in den gehobenen Dienst des Senegal ein, um dort als Staatskarosse Dienst zu tun. Dabei leisteten ihm zwei weitere Mercedes W100 (mit kurzem Radstand und als Landaulet) Gesellschaft. Denn der damalige Staatschef Leopold Sedar Senghor war ein großer Fan des prunkvollen Mercedes und orderte tatsächlich gleich drei 600er für seinen präsidialen Fuhrpark.

Nach dem Staatsdienst startet der Pullman-Pensionär nochmal durch

Der Mercedes 600 muss seinen Job zu großer Zufriedenheit der sengalesischen Staatschefs gemacht haben, denn er blieb bis zum Jahr 1992 im Einsatz. Dann wurde der Wagen ausgemustert und nach Deutschland verkauft. Doch das Ende im Staatsdienst bedeutete für den Mercedes nicht etwa das totale Aus, sondern vielmehr den Beginn einer zweiten Karriere als begehrtes Sammlerfahrzeug. Zwischenzeitlich hat der Mercedes mehrfach die Sammlung gewechselt und ist stets gründlich durchgecheckt sowie – wo nötig – fachmännisch repariert worden. Mittlerweile stehen 68.000 Kilometer auf der Uhr des Mercedes, der sich trotz seiner 42 Jahre technisch und optisch in absolutem Bestzustand präsentiert.

Fotos: Bonhams

9 Bilder Fotostrecke | Ein Mercedes bringt Bewegung in die Politik (W100): 1973er Mercedes 600 Pullman als einstige Staatskarosse des Senegal #01 #02