Zum Wegschmeißen viel zu schade: Schrott wird flott!: Paul Restorer - der Modellauto-Michelangelo - Sternstunde - Mercedes-Fans - Das Magazin für Mercedes-Benz-Enthusiasten

Irgendeinen Knall haben wir doch alle. Die einen fahren am liebsten Autos, die 30 Jahre alt sind und älter, andere sammeln historische Kuckucksuhren, Wetterhäuschen oder Modelleisenbahnen. Wieder andere ziehen am liebsten kurzberockt flauschige Decken von neuen Autos und werden dafür von der Industrie gefeiert und manche können einfach nichts wegwerfen und reparieren selbst die hoffnungslosesten Fälle. Über so jemanden sind wir auf YouTube gestoßen. Ein gewisser Paul restauriert Modellautos, filmt deren Wiederaufbau und hat mittlerweile eine treue Gefolgschaft von über 109.000 Followern.

Vom Schrott gerettet: diesen Corgi Mercedes-Benz 600 Pullmann aus den Sechzigern hat Paul mit viel handwerklichem Geschick wieder in einen repräsentantiven Zustand versetzt.

Und weil der geschickte Bastler auch alte Mercedes-Benz Modellautos repariert und sie wieder in den Neuzustand versetzt, haben wir uns einige seiner fast 1000 Videos angeschaut und müssen zugeben: Wir sind fasziniert.

Mit handwerklichem Geschick und bisweilen enormem technischen Aufwand verwandelt sich so manche Schrottmühle aus der Modellauto-Grabbelkiste wieder in ein echtes Schmuckstück für die Vitrine. Und doch bleibt die Frage: Warum macht man so etwas? Wir haben mit dem YouTuber, der sich dort Paul Restorer nennt, gesprochen. Und kamen aus dem Staunen nicht mehr raus.

1) Verrat uns etwas über dich privat . Wie alt bist du? Wo lebst Du? Welchen Beruf übst du aus?

Ich bin 62 Jahre alt. Ich habe einen Abschluss in Elektrotechnik und Verkehrstechnik. Ich lebe in Krakau, wo ich seit 35 Jahren mit zwei Freunden, ein Tierfutterunternehmen, leite

Alles begann mit einem BMW 2002 - im Maßstab 1:1

2) Wie bist du zu dem Hobby gekommen?

Ich begann 2019 mit der Restaurierung von Modellen. Nachdem es meinem Sohn und mir gelungen war, einen echten BMW 2002 von 1972 zu restaurieren, beschloss ich, ein Hobby mit Modellen zu verfolgen, die in Polen in meiner Kindheit nicht erhältlich waren. In den 1960er Jahren waren sie nur in sehr begrenzter Stückzahl durch Privatimporte erhältlich. Das staatliche Außenhandelsbüro in 1970er Jahren importierte Matchbox Superfast-Modelle, und sie tauchten in Spielwarenläden auf. Ich hatte 14 davon. Nur 6 davon waren neu. Der Rest stammte von älteren Freunden, die nicht mehr damit spielten. Als ich diese abgenutzten Modelle sah, wollte ich sie in ihren Originalzustand zurückversetzen. Leider fehlten mir die technischen Mittel dazu. Als meine Kinder erwachsen wurden, beschloss ich, das Hobby wieder aufzunehmen und meine eigene Sammlung aufzubauen.

Bei diesem Corgi Mercedes-Benz 220 SE musste u.a. eine neue A-Säule angefertigt werden. Der Geheimtipp lautet hier: Backpulver!

3) Wir staunen über deine Kenntnisse von Werkzeugen und Werkstoffen. Wie hast du dir das angeeignet? Über welchen Zeitraum?

Schon als Kind habe ich es geliebt, Spielzeug auseinanderzunehmen. Reparieren, Restaurieren und verschiedene Ergänzungen, nicht nur an Modellen, bereiten mir große Freude. Ich sehe es als Herausforderung und angenehmen Zeitvertreib. Ich interessiere mich für alle neuesten technischen Innovationen und bin ein Gadget-Fan. In der Grundschule las ich die polnische Monatszeitschrift „Młody Technik" (Junge Techniker). Ich war sehr frustriert, dass ich die Projekte damals nicht umsetzen konnte. Es gab keine Möglichkeit, die benötigten Rohstoffe und Teile zu kaufen. Als ich anfing, Druckgussmodelle zu reparieren und zu restaurieren, setzte ich mir das Ziel, alle Autos wieder in den fabrikneuen Zustand zu versetzen.

Zuerst werden alle Modelle komplett zerlegt. Hier die beiden Matchbox-SL vom Titelbild

Heute gibt es unzählige Möglichkeiten, die für dieses Hobby benötigten Materialien und Werkzeuge zu kaufen. In meiner 16 m² großen Werkstatt habe ich viele notwendige Geräte und Chemikalien angesammelt, die ich bei meiner Arbeit verwende. Dank meiner sechsjährigen Erfahrung kann ich viele Aufgaben dreimal schneller erledigen als zu Beginn, und die Ergebnisse sind sehr zufriedenstellend.

4) Kannst du dich noch erinnern, welches dein erstes Modell war, dass du restauriert hast?

Ich habe von einem Freund einen Matchbox King Size Mercury Cougar bekommen. Das Modell war bis auf die Räder in ausgezeichnetem Zustand. Der Reifengummi hatte die Kunststofffelgen geschmolzen, und ich musste es reparieren. Da das Ergebnis so gut war, fast ich den Entschluss, dass fortan jede Restaurierung umfassend sein würde und auch eine Reproduktion der Verpackung des Modells enthalten würde.

Für einen tiefen Glanz werden alle Modelle mit dem Airbrush-Verfahren in mehreren Durchgängen in einer Modell-Lackierkabine neu gelackt.

5) Jemand mit deinen Fähigkeiten könnte doch auch Oldtimer im Maßstab 1:1 restaurieren, oder?. Wäre das nicht auch eine Herausforderung für dich?

Wie eingangs erwähnt, habe ich das bereits getan.

Ich möchte hinzufügen, dass ich 1985 zusätzlich zur Restaurierung eines BMW 2002, einen Fiat 126p aus Einzelteilen zusammengebaut habe – mein erstes Auto. Die Karosserie stammte aus dem Jahr 1978. Die Teile kaufte ich auf den Automärkten zusammen und so entstand mein erstes Auto.

Nach dem Entlackungstauchbad werden die Modelle mit einer weichen Messingdrahtbürste von Lackresten und manchmal auch von Gussunregelmäßigkeiten befreit.

"Modelle auf Flohmärkten zu suchen, ist wie ein Jagdausflug!"

6) Suchst du dir deine Restaurationobjekte auf Flohmärkten zusammen? Nach welchen Kriterien entscheidest du, welches Auto du restaurieren möchtest?

Anfangs baute ich die Modelle, die mir am meisten am Herzen lagen, im Maßstab 1:75 von Matchbox. Später wechselte ich zum Maßstab 1:43. Zuerst waren das Corgi- und Dinky-Modelle. Die meisten davon sind Modelle, die ich mir als Kind gewünscht hätte. Wenn mir ein Modell nicht gefällt, es aber etwas Interessantes hat, arbeite ich auch daran. Ich präsentiere viele Modelle aus den 1950er-Jahren in verbesserten Versionen.

Ich füge Fenster und Innenausstattung hinzu, baue Aufhängungen, installiere Kristallscheinwerfer und lackiere sie zweifarbig mit Chrom-Akzenten.

Natürlich liebe ich es, Modelle auf Flohmärkten zu kaufen. Es ist wie eine Art Jagdausflug. Man weiß nie, was man findet. Viele Modelle kommen in schlechtem Zustand aus Westeuropa nach Polen, aber ihre Preise sind sehr niedrig. Viele Modelle bekomme ich kostenlos von Freunden meines YouTube-Kanals. Ich versuche immer, während der Restaurierung mindestens ein Fan-Modell auf Film zu zeigen.

Um die Bodenplatte - hier ein Matchbox Mercedes Nutzfahrzeug aus der 1-75 Serie mit Regular Wheels - lösen zu können, werden die Befestigungsnieten aufgebohrt.

7) Wie bist du auf die Idee gekommen, deine Restaurationsarbeiten im Video festzuhalten?

Mein Vater liebte die Fotografie und drehte Filme mit 8-mm-Kameras. Ich habe das schon als Kind genossen. Jetzt, wo digitale Bild- und Tonaufnahmen alltäglich sind, finde ich auch Erfüllung darin, meine Arbeit zu dokumentieren. Mein Ziel war es, diese Leidenschaft mit so vielen Menschen wie möglich zu teilen. Ich wollte auch Erinnerungen bei Menschen in meinem Alter und darüber hinaus wecken. Ich lese sehr gerne die Kommentare meiner Freunde, in denen sie ihre unglaublichen Erinnerungen an ihre Zeit mit Druckgussmodellen teilen. Meine Frau und meine Tochter haben sich den Spitznamen „Paul Restorer" ausgedacht. Und so fing alles an.

8) Wie viele Modellautos hast du mittlerweile restauriert?

Ich zähle die Modelle nicht, aber es sind ungefähr 1.000. In manchen Videos sind drei Modelle zu sehen. Manche Projekte werden nur in Kurzform vorgestellt.

Hier wird der Kühler mit einem speziellen Lack neu "verchromt".

9) Hast du die restaurierten Modellautos alle noch in deiner Sammlung oder hast du auch schon welche verkauft?

Ich habe ungefähr 750 der wieder auferstandenen Modelle in meiner Sammlung. Natürlich habe ich viele verkauft. Sammler aus aller Welt kontaktieren mich mit Anfragen zum Kauf einzelner Autos. Manchmal kann ich das einfach nicht ablehnen, zumal meine Sammlung von Autos zur Restaurierung ständig wächst. Heute besitze ich ungefähr 4.000 Modelle insgesamt.

10) Welche Modellauto-Marke restauriert du am liebsten? Dinky, Corgi, Matchbox, Hot Wheels oder Majorette?

Ich habe keinen Favoriten, aber ich mag Modelle von Solido, Tekno, Märklin und Mercury (alle aus den 1960er-Jahren) sehr. Im Maßstab 1:64 habe ich Matchbox, Siku und Majorette. In den 1960er-Jahren gab es meiner Meinung nach die besten Druckgussmodelle der Welt.

Firmen wie Dinky, Corgi und Lesney übertrafen sich gegenseitig mit innovativen technischen Lösungen, verbesserten ihre Spielzeuge und schufen Stücke, die zu Ikonen wurden.

Fehlende oder beschädigte Figuren wie bei dem Dinky Silberpfeil werden im Abgussverfahren neu hergestellt. Die Gussformen fertigt Paul selbst an.

11) Welches war dein bislang schwierigstes zu restaurierendes Modellauto?

Ich kann das schwierigste Modell nicht nennen. Es gab bestimmt ein Dutzend davon. Modelle mit komplexen Strukturen und schweren Schäden zu restaurieren und dafür Teile oder Mechanismen zu entwickeln, ohne ein Modell zum Nachbauen zu haben, ist aber immer schwierig.

"Vielleicht gelingt es mir in Zukunft, eine Dauerausstellung zu gestalten."

12) Was passiert mit den Modellen, wenn du sie fertiggestellt hast? Stehen sie dann in einer Vitrine?

Nach dem Film mache ich eine Fotoserie für Instagram und das Modell wandert in eine Sammlung fertiger Modelle. Ich habe zuvor drei Vitrinen mit etwa 350 Modellen gebaut, aber aus Platzgründen stelle ich keine neuen aus. Vielleicht gelingt es mir in Zukunft, irgendwo in Krakau eine Dauerausstellung zu gestalten, kombiniert mit einem Museum für Vintage-Spielzeug, aber das ist noch Zukunftsmusik.

Beim Lack wich Paul hier vom Originalzustand des Dinky-Modells aus den Fünzigern ab. Ein Silberpfeil muss eben silbern sein.

13) Immer mit einer selbstgemachten Reproduktion der Originalverpackung? Wir erinnern uns an ein Hot Wheels Modell, bei dem du sogar die Blechplakette auf der Verpackung nachgearbeitet hast. Das muss doch enorm aufwändig gewesen sein, diese Blechplakette zu stanzen und dann auch noch zu lackieren oder zu bedrucken?

Ich bin der Meinung, dass jede Restaurierung vollständig sein sollte. Die Betrachter sollten das Modell so erleben können, als würden sie es in einem Geschäft kaufen. Ich versuche auch, alle Funktionen und beweglichen Teile dieser Spielzeuge zu zeigen. Wenn ich beispielsweise keine Figur für ein bestimmtes Modell zum Nachbauen bekomme, verwende ich stattdessen eine sehr ähnliche.

Ich glaube, das schätzen meine Zuschauer und trägt zur Popularität meines Kanals bei.

Zur Aufbewahrung der frisch restaurierten Modelle fertigt Paul Reproboxen an. Das gibt auch noch einen Schuss "Zeitgeist" dazu.

14) Du hast ja nicht nur Originalverpackungen nachgebaut, sondern auch eigene Verpackungen im klassischen Stil entworfen und dann realisiert! Wie bist du zum Beispiel auf die Idee des Mini-Sets „The Italian Job" gekommen?

Mettoy hat mehrere Filmmodelle veröffentlicht. Diesem Beispiel bin ich gefolgt. So entstanden Fantômas, Louis DeFunes' Jaguar, zwei Modelle aus der Serie Persuardes und auch "The Italian Job" Das ist sicher nicht das Ende; ich werde versuchen, mehr zu schaffen.

Zwei Restaurierungen pro Woche

15) Wie viele Stunden oder Tage brauchst du durchschnittlich für ein Modell von der Demontage bis zum Endergebnis einschließlich Box?

Durchschnittlich führe ich zwei Restaurierungen pro Woche durch. Die Mindestarbeitszeit beträgt 10 Stunden. Ich erleichtere mir die Arbeit durch einen umfassenden Ansatz. Beim Malen und Lackieren male ich mehrere Modelle gleichzeitig. Ich versuche, alle Aktivitäten zu gruppieren, um die Zeit zu nutzen und Ausfallzeiten zu vermeiden.

Keine Originale, sondern restaurierte Modelle von Siku und Matchbox King Size.

16) Woher kommt Dein handwerkliches Geschick? Du schneidest Kartons und manchmal auch Blech und Polystirol freihand, kannst mit dem Pinsel feinste Linien ziehen. Hast du das alles mal gelernt?

Ich bin Autodidakt. Manche spielen Instrumente, andere singen, aber ich bin ein manueller Bildhauer.

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17) Teilweise sind die Arbeitsschritte ja sehr aufwändig. Du scheinst auch einen entsprechend hochwertigen Maschinenpark zu haben. Hast du das alles bei dir im Keller stehen?

Ohne die richtigen Werkzeuge ist Restaurierung sehr schwierig. Ich erledige alles außer dem Entfernen von Farbe und dem Lackieren in meinem eigenen Zimmer. Hier habe ich alle notwendigen Werkzeuge: einen Plotter, einen Ultraschallreiniger, einen Harzdrucker und vieles mehr. Der Raum wird optimal genutzt. Nachfolgende Aufgaben erledige ich an festen Stationen und trage nur die Kamera bei mir.

18) Was sagen denn deine Frau oder Freunde zu deinem Hobby?

Meine Familie unterstützt meine Projekte sehr; mein Sohn hilft mir beim 3D-Design. Meine Freunde versuchen, mein Hobby zu fördern.

73 Bilder Fotostrecke | Zum Wegschmeißen viel zu schade: Schrott wird flott!: Paul Restorer - der Modellauto-Michelangelo #01 #02

"Viele Sammler stellen die von mir restaurierten Modelle neben ihre Originale!"

19) In der Sammler-Szene ist ein unbearbeitetes Modell oft gefragter als ein restauriertes. Du aber wendest viel Zeit und Geld auf, um die Fahrzeuge wieder in Schuss zu bringen. Ärgert es dich dann manchmal, dass der Sammlerwert von restaurierten Modellen nicht mitzieht.

Meiner Meinung nach ist ein restauriertes Modell mindestens halb so viel wert wie ein Originalmodell in perfektem Zustand. Die große Beliebtheit meiner Modelle scheint dies zu bestätigen. Viele Sammler stellen dann die von mir restaurierten Modelle neben den Originalen aus.

20) Gibt es denn tatsächlich eine Nachfrage nach "Paul Restorer"-Modellen?Erledigst du auch Auftragsarbeiten? Wenn jemand sein Modellauto von dir aufbereitet haben möchte, würdest du den Auftrag annehmen?

Ich bekomme auch Originalautos mit der Bitte um Farbänderungen und das Hinzufügen beziehungsweise Umbauen einiger Elemente. Wiann immer ich Zeit habe, nehme ich Modelle zur Restaurierung oder zum Umbau an. Das Modell muss mich in erster Linie interessieren, damit ich ein Video von der Arbeit erstellen kann.

21) Welches der von dir fertiggestellten Modelle ist dein Lieblingsmodel?

Ich schaue mir gerne ab und zu einen Teil meiner Sammlung an. Dann lerne ich ein Modell noch einmal ganz neu kennen. Ich müsste daher mindestens 100 Modelle aufzählen. Besonders angetan haben es mir die Modelle, die ich als Kind hatte: der Lotus Europa, der Stretcha Fetcha, der MG 1100, der Volkswagen 1600, der Ford Zodiac. Alles Matchbox.

Frisch restauriert: hier strahlen die beiden Matchbox-SL wieder wie neu. Die breiten aber filigranen Superfast-Räder des gelben SL hat Paul ebenfalls selbst gefertigt. Am Ende des Artikels sind Links zu einigen Paul Restorer YouTube-Videos.

"Ich habe viel mehr Ideen als Zeit!"

23) Gibt es denn einen Punkt, auf den du hinarbeitest? Ist deine Sammlung irgendwann fertig bzw. komplett?

Es ist unmöglich, meine Sammlung zu vervollständigen. Es wird immer ein weiteres Modell geben, das restauriert werden muss. Ich habe viel mehr Ideen als Zeit, sie umzusetzen.

Herzlichen Dank für das Interview. Wir wünschen weiterhin viel Freude an dem Hobby. Vor allem auch für Deine Pläne mit der eigenen Ausstellung. Wir können uns vorstellen, dass dies eine Menge Leute interesieren würde.