Der 24. Juli 1938 soll der größte Tag in Richard Seamans Karriere werden. Neben Hermann Lang und Manfred von Brauchitsch steht der 25 Jahre alte Engländer in der ersten Startreihe beim Großen Preis von Deutschland, im Training hat er seinen Mercedes-Benz W 154 auf den dritten Platz gefahren. Hinter den drei Silberpfeilen wartet in der zweiten Reihe Rudolf Caracciola als weiterer Mercedes-Benz Pilot neben Auto-Union-Fahrer Tazio Nuvolari auf den Beginn des Rennens.
Vor 300 000 Zuschauer am Nürburgring führt Seaman das Rennen an und gewinnt mit einem Vorsprung von 3.20 Minuten vor Hermann Lang.
Der am 4. Februar 1913 geborenen Seamann stammt aus einer wirtschaftlich gut situierten Familie der britischen Oberschicht. Seinen Berufswunsch Rennfahrer setzt er gegen die Widerstände der Eltern durch. Von 1931 an, im Alter von 18 Jahren, nimmt er an Motorsportwettbewerben teil und zeigt Talent. Der junge Mann träumt bald davon, für einen der großen deutschen Rennställe zu fahren. Im Sommer 1936 sagt er: If I ever get a drive for Mercedes, I shall never drive for anybody else (Wenn ich jemals für Mercedes fahren darf, dann fahre nie wieder für jemand anderen). Der Traum rückt in greifbare Nähe, als der Brite zum Saisonende 1936 ein Telegramm von Alfred Neubauer erhält: Der Rennleiter lädt für November auf den Nürburgring zu Testfahrten ein.
Seaman setzt sich gegen 18 Konkurrenten durch und erhält einen von zwei Novizen-Plätzen im Mercedes-Benz Team. Als erstes Rennen bestreitet er am 9. Mai 1937 auf einem Rennwagen vom Typ W 125 den Großen Preis von Tripolis. Seaman erreicht zwar nur den siebten Platz, liegt während des Rennens aber über mehrere Runden an zweiter Position hinter Hermann Lang und vor Rudolf Caracciola.
In den Saisons 1937 und 1938 behauptet Seaman sich im internationalen Renngeschehen. Aber er hat es nicht leicht, als Brite im Deutschland der 1930er Jahre für ein deutsches Team zu fahren und ist immer wieder Anfeindungen ausgesetzt. Als er dann noch eine Deutsche heiratet, kommt es zum Bruch mit seiner Mutter. Zu diesem Zeitpunkt hatte Seaman seinen Lebensmittelpunkt längst nach Deutschland verlegt. Links: Großer Preis von Deutschland, 24. Juli 1938. Die Mercedes-Benz Mannschaft, von links: Manfred von Brauchitsch, Rennleiter Alfred Neubauer, Richard Seaman, Hermann Lang und Rudolf Caracciola.
Der 25. Juni 1939 wird zum Schicksalstag für Dick Seaman: Beim Großen Preis von Belgien will er es vor allem dem Regenmeister Caracciola zeigen, denn am Tag des Rennens prasselt schwerer Regen auf die Strecke von Spa-Francorchamps. Er fährt gut: Nach wenigen Runden führt Seaman. In der zwölften Runde liegt er bereits 31 Sekunden vor dem Teamgefährten Hermann Lang. (Rechts: Großer Preis von Deutschland, 24. Juli 1938. Die Mercedes-Benz Mannschaft, von links: Manfred von Brauchitsch, Rennleiter Alfred Neubauer, Richard Seaman, Hermann Lang und Rudolf Caracciola.) Doch trotz des komfortablen Vorsprungs behält Seaman sein hohes Tempo bei, selbst als der Regen noch stärker wird. Das wird ihm zum Verhängnis.
Sein Wagen gerät ins Schleudern, schießt mit rund 200 km/h von der Strecke und prallt gegen einen Baum. Binnen Sekunden steht der Wagen in Flammen. Seaman kann sich nicht aus eigener Kraft aus dem Fahrzeug retten. Als ihn ein mutiger Ersthelfer aus dem Inferno zieht, hat er bereits schwerste Brandverletzungen. Dick Seaman, einer der vielversprechendsten Rennfahrer der 1930er Jahre stirbt wenige Stunden nach dem Unfall an seinen schweren Verletzungen.
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