Davon träumt doch jeder Auto-Fan: "Einmal einen Scheunenfund machen." Uns war das nun vergönnt. Zusammen mit den Spezialisten des mittlerweile in der insolvenz befindlichen Fachbetriebs für historische Fahrzeuge, v-classics, durften wir bei der Bestandsaufnahme eines Scheunenfunds live dabei sein. 20 klassische Mercedes-Benz-Modelle, ein BMW Barockengel und ein Käfer Cabriolet wurden aus einer Scheune im Bergischen Land zu Tage gefördert. Wir haben aber nicht nur fotografiert, sondern auch gefilmt! Eine Sternstunde der ganz besonderen Art.

Ein Scheunenfund ist immer auch ein bisschen Kindergeburtstag!

Bei einem Scheunenfund weiß man nie ganz genau, was man gekauft hat, bis alle Kofferraume, Kisten, Taschen, Handschuhfächer usw. durchstöbert sind. Hinter jeder Klappe wartet eine Überraschung!



Es riecht ein bisschen nach Staub. Und nach Stroh. Und ein bisschen nach Omas altem Speicher. Vor allem aber nach Staub. Und Öl. Hier tut sich etwas vor mir auf, das ich in meinem Leben als Autojournalist bislang auch erst dreimal erlebt habe. Einmal durfte ich am Niederrhein dabei sein, als eine Sammlung klassischer Sportwagen aus den 50er und 60er Jahren entdeckt wurde, einmal habe ich in den 80ern eine große vergessene Sammlung deutscher Klassiker in Essen bestaunen dürfen und einmal habe ich selbst – zufällig – mehrere abgestellte Amerikaner in einer alten Scheune in NRW gefunden. Diesmal durften wir dabei sein, als die Klassiker-Spezialisten von v-classics aus Dresden ihren Scheunenfund erstmals ganz genau inspizieren konnten. Über 20 klassische Mercedes-Benz und ungezählte Ersatzteile wie Türen, Hauben, Chromteile usw. gilt es zu erfassen und abzutransportieren. Ein spannender Moment. Auch bei uns stellt sich dieses ganz merkwürdige Gefühl im Bauch ein, dieses Kribbeln, das nur dann da ist, wenn man etwas wirklich ganz Besonderes erlebt und noch gar nicht ganz genau weiß, was denn am Ende des Tages noch alles passieren wird. Vielleicht stürmt ja gleich jemand rein und schreit aufgeregt: „Ich habe noch eine Scheune gefunden, diesmal aber nur Cabrios. Oder 30 Pagoden. Alle neu!“ Nein, das passierte natürlich nicht, aber auch so geriet dieser Tag zu einer unvergesslichen Entdeckungstour.

So mancher Kandidat, wie dieser 170 V, hat sich über die Jahre die Reifen sprichwürtlich eckig gestanden.

Das Stöbern zwischen all den verstaubten W111, W108, W109 und anderen hier in der Scheune abgestellten Mercedes Klassikern erinnerte mich an die Zeit, als ich als Acht- oder Neunjähriger heimlich die Schrottplätze dieser Welt eroberte, mit meiner großen Liebe vom Nachbarhaus alte Opel Olympia oder BMW Barockengel enterte und wir uns vorstellten, wir würden mit den Wracks in den Familienurlaub fahren. Die Alpen sollen damals ein mörderisches Hindernis für die Autos gewesen sein, aber ich war damals schon ein guter Fahrer und natürlich ein noch besserer Mechaniker. In Wirklichkeit waren die Schrottkisten weitgehend so hinüber, dass da wohl gar nichts mehr hätte repariert werden können.

Hervorragende Restaurationsbasis: Viele Fahrzeuge wie dieser 300 SEL 6.3 sind im unverbastelten Originalzustand.

Das ist bei dem Scheunenfund hier ganz anders: Die jetzt entdeckten Mercedes Schätze sehen auf den ersten Blick vielleicht teilweise erschreckend aus, stellen aber fast alle eine exzellente Basis für eine Restauration dar. v-classics-Geschäftsführer Tino Drowatzky betrachtet die Autos mit den Augen des Fachmanns: „Viele der Fahrzeuge hier sind nur optisch in einem beklagenswerten Zustand. Aber sie sind alle unverbastelt, haben oft noch den Original-Lack, die originalen Chromteile sind fast alle vorhanden und fast immer noch steckt der erste Motor und das erste Getriebe drin. Wir haben hier in dieser Scheune einen Schatz gehoben. Alles original deutsche Autos!“ Für einen Restaurationsbetrieb ist das in der Tat ein Glückstreffer. Der Markt an restaurationstauglichen Modellen ist weitgehend abgegrast und die Suche in den USA deutlich aufwändiger und nicht zuletzt auch aufgrund des Transports auch deutlich teurer.

Uschi Glas, der Wörthersee und ein W187 Cabriolet 220 A

Die Autos sehen zwar staubig aus, an manchen Modellen wie dem 61er Ponton fehlen auch Kotflügel oder Lampentöpfe, die Pagode hat einen kleineren Unfallschaden, aber sie sind kein Schrott. Ganz im Gegenteil, der vorherige Besitzer hat sogar im Rahmen seiner Möglichkeiten eine einigermaßen ordentliche Vorsorge getroffen. Schließlich wollte er diese als Lackierermeister alle einmal selbst restaurieren. Irgendwann. Heute ist er 81 Jahre alt. Die Gesundheit lässt die geplante Lebensabend-Beschäftigung leider nicht mehr zu. Ein letztes Mal schaut er sich mit uns gemeinsam seine Schätze an: „Da das grüne W187er Cabriolet, das habe ich persönlich am Wörthersee entdeckt. Der von 1951 stammende 220er hat in einem Film mit Uschi Glas mit gespielt!“

Die beiden seltensten Fahrzeuge sind ein W187 220 Cabriolet A und ein W187 220 Cabriolet B

Jeder der verstaubten Sterne hat eine ganz persönliche Geschichte. Diese wollen Tino und sein Bruder Kai Drowatzky nach Möglichkeit erhalten: „Wir restaurieren komplett original nach Auslieferung bevor der Wagen in unseren Vertrieb geht. Sollte sich jedoch ein Kunde zwischenzeitlich interessieren, dann werden selbstverständlich Sonderwünsche mit aufgenommen. Beispiel: Das schöne hellgrünmetallic bei der W113 280 SL Pagode ist leider nicht original. Diese Farbe gab es nur am Vorgänger, dem 190SL. Original war die Pagode in DB 268 dunkelgrün - und ob es nun dem aktuellen Zeitgeschmack entspricht oder nicht – wir werden den Wagen wieder in Auslieferungsfarbe lackieren.“ Am Schluss also hat natürlich der Kunde das letzte Wort. Er entscheidet auch, ob die kleinen Zeitzeugen wie die Fensteraufkleber z.B. von der Felbertauernstraße erhalten bleiben sollen oder nicht.

Welche Modelle sind denn nun die wertvollsten Fundstücke? „Die beiden seltensten Fahrzeuge sind das W187 220 Cabriolet A und das W187 220 Cabriolet B mit 1.278 beziehungsweise 997 gebauten Fahrzeugen. Das potentiell Wertvollste ist das silberne Cabriolet A von 1952“, stellt Tino Drowatzky fest.

Ach der W111 mit Dachschaden wird wiedererwckt....

Für den Restaurationsfachbetrieb v-classics besonders interessant sind die zahlreichen W111 Coupés, die in unterschiedlichen Varianten und Zuständen in der Scheue stehen und natürlich auch die W108/109-Modelle wie der silberne 300 SEL 6.3. „Den lassen wir original!“ schmunzelt Bruder Kai Drowatzky und spielt damit auf die Replika der „Roten Sau“ von v-classics an, die unsere Leser sowohl beim Event SCHÖNE STERNE 2012 als auch bei der Mercedes-FanWorld bestaunen konnten.

Im Übrigen sind alle Fahrzeuge bereits in den Betrieb verbracht und die Restauration der ersten Fahrzeuge läuft auf vollen Touren.

Bei drei der aufgespürten Modelle werden die beiden Dresdener und ihr Team jedoch etwas aufwändiger zur Sache gehen müssen: „Aus den beiden Unfall W111 Coupés werden wir ein einziges Fahrzeug bauen. Auf die Basis des gelben Dachschadens transplantieren wir vom goldenen Heckschaden das Dach inkl. A und C Säule.“, so Tino Drowatzky.

Die Ausnahmeidee: "Vielleicht bauen wir aus dem 170 V einen German Hot Rod!"

Und noch eine andere Idee befeuert derzeit die Dresdener: „Mal sehen, vielleicht machen wir aus dem einzelnen 170er Häuschen so etwas wie einen German Hot Rod. Mit feinster Rennsporttechnik wie Einzelradaufhängung, verstellbarem Gewindefahrwerk, Keramik Bremsen und Mercedes Antrieb. In der engeren Auswahl steht ein getunter 6,9l V8 aus dem W116 wie bei unserer "Schwarzen Sau" oder ein V12 aus der 600er S-Klasse.

Wer die Autos der beiden kennt, der ahnt, dass das alles andere als reine Phantasie ist. Im Vordergrund aber steht, die schlafenden Schönheiten so wieder wachzuküssen, wie sie einst das Werk verlassen haben.

Die Liste der Fundstücke

Mercedes-Benz W108 250 S braun 1966

Mercedes-Benz W108 280 S beige 1971

Mercedes-Benz W108 280 SE 3,5 gelb 1972

Mercedes-Benz W109 300 SEL 3,5 blau-met 1970

Mercedes-Benz W109 300 SEL 3,5 gold-met 1972

Mercedes-Benz W109 300 SEL 6,3 silber 1970

Mercedes-Benz W111 220 SEb Cabriolet gelb 1963

Mercedes-Benz W111 220 SEb Coupé gold-met 1965

Mercedes-Benz W111 220 SEb Coupé violett 1964

Mercedes-Benz W111 250 SE Coupé gelb 1966

Mercedes-Benz W111 250 SE Coupé gelb 1966

Mercedes-Benz W111 280 SE Coupé anthrazit 1970

Mercedes-Benz W113 280 SL hellgrün-met 1970

Mercedes-Benz W120 180 D grau 1961

Mercedes-Benz W136 170 V schwarz 1949

Mercedes-Benz W136 170 V schwarz Karosse 1947

Mercedes-Benz W187 220 Cabriolet A silber 1952

Mercedes-Benz W187 220 Cabriolet B grün 1951

Mercedes-Benz W187 220 Lim grau 1952

Mercedes-Benz W191 170 DS grün 1952

81 Bilder Fotostrecke | Der Scheunenfund: 20 Mercedes Oldtimer gefunden: Wir waren beim Scheunenfund von v-Classics live dabei - 20 Mercedes-Klassiker sollen restauriert werden #01 #02