Die neuen CO2-Grenzwerte, welche die EU bis 2030 beschlossen hat, lösten gestern eine Schockwelle in den Zentralen der deutschen Autoindustrie aus. „Unrealistisch“. „Nicht machbar.“ Das sind noch freundlich formulierte Reaktionen für aus den Führungskreisen eines wichtigen deutschen Wirtschaftszweigs, der sich mit den neuen CO2-Vorgaben völlig überfordert und allein gelassen fühlt. Und es ist ja nicht die einzigen Herausforderungen, welche die Autoindustrie, die lange Zeit von der Politik verwöhnt wurde, nun stemmen muss. Fahrverbote, Dieselkrise, alternative Antriebe, neue Geschäftsmodelle, Verlust der Markentreue, neue Wettbewerber aus USA und China - die Liste der Aufgaben von geradezu herkulischem Ausmaß ist lang. Kann die deutsche Autoindustrie, namentlich Volkswagen, BMW und Daimler, diese Situation bewältigen. Nicht wenige sehen ja in der aktuellen Lage eine existientielle Bedrohung mit gar nicht mal ungewissen Ausgang. Das Ende der deutschen Autoindustrie sei nah, lautet deren Botschaft (z.B. in sehr extremer Weise HIER). Ob es wirklich so weit kommt? Das ist Kaffeesatzleserei. Ganz klar berechnen allerdings, lässt sich das Szenario, was die Folgen wären, wenn die deutsche Autoindustrie an Wirtschaftskraft verliert – etwa, weil sie die aktuellen Herausforderungen nicht meistert. Dieser Frage geht ein Szenario aus dem Deutschland Report des Schweizer Prognos-Institut, eine Top-Adresse in Sachen Wirtschaftsforschung, nach.
Grundsätzlich geht Prognos davon aus, dass die deutschen Autobauer die großen Herausforderungen meistern und ihre wirtschaftliche Stärke behalten werden. Doch was passiert, wenn das in einem oder mehreren Fällen nicht gelingt? Wie hoch wären die branchenspezifischen und gesamtwirtschaftlichen Einbußen bei Wertschöpfung und Beschäftigung in Deutschland? Anders ausgedrückt: Wie bedeutend ist die Branche für die deutsche Wirtschaft?
Das Ergebnis des Szenarios: Die deutsche Volkswirtschaft würde den Untergang der Autoindustrie verkraften
Der Fahrzeugbau selbst wäre laut Prognos am stärksten betroffen, wenn zentrale Herausforderungen der Zukunft nicht gemeistert würden. Im Szenario „fehlen“ in der Branche im Jahr 2045 knapp 40 Prozent der Produktion (-280 Milliarden Euro). Die Beschäftigung im deutschen Fahrzeugbau geht um etwa 260.000 Personen (-30 Prozent) zurück. Die Verluste im Fahrzeugbau strahlen auf die gesamte deutsche Volkswirtschaft aus. Inklusive der Effekte im Fahrzeugbau entstehen Verluste bei der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung in Höhe von 174 Milliarden Euro und bei der Beschäftigung in Höhe von rund 740.000 Personen.
Upps, keine guten Aussichten - vor allem für die betroffenen Menschen, wenn es so weit käme. Aber wie gesagt, das ist nur ein Szenario des Prognos-Instituts, wenn es zum Allerschlimmsten kommt und VW, BMW und Daimler die Herausforderungen der Zukunft nicht meistern können sollten.
Das Prognos-Szenario zeigt aber auch auf, dass die Entwicklung und Perspektiven der deutschen Volkswirtschaft nicht auf den Fahrzeugbau reduziert werden sollten.
Denn selbst für den schlimmsten Fall, dass bis zum Jahr 2045 gut 40 Prozent der Wertschöpfung wegbrechen würden, beliefen sich die gesamtwirtschaftlichen Einbußen auf lediglich 5 Prozent - für Ökonomen ist das ein überschaubarer Wert, der in ihren Köpfen weder Untergangsstimmung noch Panik auslöst. (Datenquelle: Prognos AG)
Autor: Mathias Ebeling
1 Kommentar
Pano
20. Dezember 2018 15:56 (vor über 5 Jahren)
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