Presseschau: Daimler-Jahrespressekonferenz am 11.02.2020

Pressestimmen zum dramatischen Gewinneinbruch bei Daimler

Presseschau: Daimler-Jahrespressekonferenz am 11.02.2020: Pressestimmen zum dramatischen Gewinneinbruch bei Daimler
Erstellt am 12. Februar 2020

Daimler Jahrespressekonferenz 2020 Gedämpfter Optimismus bei Daimler Chef Källenius: "Wir sind wieder in der Spur!" Die erste Jahrespressekonferenz mit Ola Källenius in der Hauptrolle als Vorstandsvorsitzender ist passé. Großer Journalistenandrang herrschte gestern bei Jahrespressekonferenz der Daimler AG in Stuttgart. Der Konzern hat seine Geschäftszahlen für das Jahr 2019 vorgelegt. Der herbe Gewinneinbruch, der verkündet werden musste, verlangt vom neuen Daimler-Chef Källenius Maßnahmen und einen Masterplan. OK selbst versuchte Zuversicht zu verbreiten. Eine Reihe von Maßnahmen hinsichtlich der Kosteneffizienz seien bereits ergriffen worden und diese würden schon anfangen zu greifen. Die Kommentatoren vieler deutscher Zeitungen gehen heute wenig zimperlich mit dem Daimler ins Gericht. Es gibt nichts zu beschönigen. Sie sehen mehrheitlich die Gefahr der Götterdämmerung für ein deutschen Vorzeigeunternehmen. Nachfolgend hat Mercedes-Fans einmal eine Presseschau mit einer Auswahl von Kommentaren zur Daimler-Jahrespressekonferenz zusammengestellt. Der Tenor ist: Die Lage ist ernst, aber sie ist nicht hoffnungslos.

Badische Zeitung

"Kratzer am Stern"

Kaum ein anderes Markenzeichen wird so stark mit dem wirtschaftlichen Erfolg der Bundesrepublik verbunden wie der Mercedes-Stern. Dieser hat jetzt einige Kratzer abkommen. (...) Der Beginn des Niedergangs eines erfolgsverwöhnten Unternehmens? Oder sogar Sinnbild für eine sich anbahnende Strukturkrise der deutschen Industrie? Gemach, gemach. An fehlender Nachfrage für die Fahrzeuge des Unternehmens liegt die schlechte Ertragsentwicklung jedenfalls nicht. Alle Sparten verzeichnen ein Umsatzplus. Was den Stuttgartern die Bilanz verhagelt, sind zum einen Altlasten. (...) Zum anderen hat Daimler ein Kostenproblem. (...) All dies ist jedoch kein Todesurteil. (...) Deutsche Industrieunternehmen sind Meister darin, auf globale Veränderungen zu reagieren. Das haben sie in diversen Krisen in den vergangenen Jahrzehnten bewiesen. (...) Wenn es Daimler schafft, jene Qualität, mit der das Unternehmen berühmt geworden ist, auch im Zeitalter neuer Antriebe zu wahren, kann der bekannte Stern auch in Zukunft glänzen.

Stuttgarter Nachrichten

"Daimler hat ein Problem"

Natürlich wird der Dieselskandal irgendwann überstanden sein, auch wenn erst einmal noch viele Kunden über lange Zeit hinweg versuchen werden, den Wertverlust einzuklagen (...). Doch Daimler richtete sich weit mehr als andere in der Dieseltechnologie ein. Nun, da die EU die Grenzwerte derart verschärft hat, dass sie selbst mit höchst effizienten Dieseln nicht mehr zu erreichen sind, hat Daimler ein Problem: Die EU erzwingt den Verkauf von E-Autos, doch der Konzern hat kein massentaugliches Modell davon im Programm - lediglich einen tonnenschweren Geländewagen, der zudem wegen Lieferproblemen kaum den Weg zum Kunden findet. BMW hat für reine E-Autos wie den i3 zwar reichlich Lehrgeld bezahlt, verkauft dafür aber in Deutschland mehr als zehnmal so viele reine E-Autos wie Daimler.

Frankfurter Rundschau

"Daimler ist zu spät dran"

Es waren keine dummen Zufälle, die die Bilanz von Ola Källenius im ersten Jahr an der Daimler-Spitze verhagelten. Es sind Probleme wie Dieselskandal, Elektrostrategie und die Allianz mit Renault-Nissan. Unter Källenius' Vorgänger Dieter Zetsche hat Daimler letzte, strategisch verlorene Jahre erlebt: Große Entscheidungen blieben offen, radikaler Wandel kam nicht infrage. Doch mit der Interpretation, dass Zetsche ein schweres Erbe hinterlassen habe, kann Källenius nicht kommen. Er hat sein Berufsleben in Schlüsselpositionen bei Daimler verbracht. Nun versucht er, mit klassischen Sparprogrammen gegenzusteuern. Das muss sein - nicht nur, um Aktionären höhere Dividenden und Beschäftigten höhere Prämien zahlen zu können. Vor allem braucht der Konzern Geld für Investitionen. Während Konkurrenten in Zukunftstechnologien investieren, arbeitet man in Stuttgart Hausaufgaben nach. Manches Projekt, das die Zukunft sichern sollte, wird zusammengestrichen. So droht Daimler hinterherzufahren.

Mitteldeutsche Zeitung

"Daimler droht hinterherzufahren"

Unter Källenius' Vorgänger Dieter Zetsche hat Daimler typische letzte, strategisch verlorene Jahre erlebt: Große Entscheidungen blieben offen. Doch mit der Interpretation, dass Zetsche ein schweres Erbe hinterlassen habe, kommt Källenius zu gut weg: Er hat sein gesamtes Berufsleben in Schlüsselpositionen bei Daimler verbracht. Wer dann so kalt erwischt wird, dass er dreimal innerhalb weniger Monate die Gewinnprognose senken muss, macht keine gute Figur. Nun versucht er, mit klassischen Sparprogrammen gegenzusteuern. Das muss sein - der Konzern braucht Geld für Investitionen. Manches Projekt, das die Zukunft sichern sollte, wird zusammengestrichen. Doch so droht Daimler hinterherzufahren.

Börsen-Zeitung

"Vertrauensvorschuss verspielt"

Selten gab es in der Automobilindustrie mehr Ungewissheit über den Verlauf eines Jahres als in diesem Februar 2020. Das gilt in besonderem Maß für Daimler. Der Dax-Konzern hat ein katastrophales Jahr hinter sich mit milliardenschweren Sonderlasten. Den Gewinneinbruch büßen die Aktionäre mit der geringsten Dividende seit dem ausschüttungslosen Jahr 2010. Damit müssen die Stuttgarter nun nicht nur den Start in die Elektromobilität beschleunigen, um potenziell milliardenschwere Strafen wegen eines Verfehlens der EU-Flottenemissionsziele zu vermeiden, sondern zugleich drastisch sparen, um den Margenverfall im Kerngeschäft zu stoppen.

Laut CEO Ola Källenius hat der Konzern zwar alle Vorbereitungen getroffen - sowohl für die Einsparungen als auch für die Elektromobilität und die Digitalisierungsoffensive. Doch nun müssen die Pläne vom Reißbrett auf die Straße gebracht werden. Und darin liegt die Krux. (...) Die entscheidende Frage wird sein, ob Daimler die Marke Mercedes-Benz ohne Wertverlust ins E-Auto-Zeitalter überführen kann. In der Vergangenheit war es oft genau diese Frage, an der Traditionskonzerne gescheitert sind. Nokia und Blackberry haben auch gute Smartphones entwickelt. Am Ende wollten aber kaum Kunden diese von der alten Garde kaufen und griffen lieber zu den Produkten der Newcomer Apple und Samsung.

Damit es für Mercedes nicht ebenso endet, will Källenius die Marke neu positionieren. Ob das klappen kann? Unklar. Dass unlängst die X-Klasse nach wenigen Jahren wieder aufgegeben wurde, steigert das Vertrauen in die Marktprognosen von Daimler nicht gerade. Und auch beim ersten reinen E-Auto EQC spricht Källenius zwar von einer "sehr gesunden" Nachfrage. Bei batterieelektrischen Autos waren bislang indes Limousinen mit überlegener Reichweite die dominante Bauform. Zweifel an der Daimler-Strategie dürften anhalten. Der Vertrauensvorschuss wurde mit dem Katastrophenjahr 2019 verspielt. (Quelle: ots)

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