Nach dem Zwang zum Feinstaubfilter und der Umweltplakette droht den Besitzern von Dieseln nun offenbar die dritte Welle von Enteignung durch den Staat. Ihre Fahrzeuge verlieren mindestens an Wert, sind aber in vielen Fällen völlig wertlos, wenn die „blaue Plakette“ kommt. Nur EU6-Diesel dürfen dann noch in die blauen Zonen.
Und wieder trifft es den „kleinen Mann“, der sich kein neues Auto leisten kann, den Gewerbetreibenden, dessen Fahrzeuge jahrelang ihre Aufgabe erfüllen sollen, sowie Taxis, Busse, Lieferwagen und so weiter. In Niedersachsen habe die hannoversche Stadtverwaltung bereits die Planungen aufgenommen, berichtet die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“. Die Verwaltung halte es für vorstellbar, die bestehende Umweltzone auszuweiten. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet sogar von 29 Städten, die sich mit solchen Plänen tragen. Die Schuldigen für die Entwicklung sind schnell ausgemacht. Niedersachsens grüner Umweltminister Stefan Wenzel macht die Automobilindustrie dafür verantwortlich, weil deren Fahrzeuge nur auf dem Prüfstand, nicht aber im Straßenverkehr die vorgeschriebenen Schadstoffgrenzen einhalten könnten.
Die Hersteller müssen sich an Vorschriften halten. Da hat der Minister recht. Die Vorschriften verlangen von jedem Automodell das Einhalten der Werte auf dem Prüfstand nach den Regeln des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ). Fahrzeuge, die auf dem Prüfstand die Grenzwerte einhalten und sich auch sonst an die Regeln halten, werden für den Straßenverkehr zugelassen, sind also legal. Das gilt auch, wenn man – wie seit Jahren bekannt – mit den geforderten Prüfstandwerten nicht die Wirklichkeit abbildet. Die Gründe dafür liegen aber im NEFZ. Fehlsteuerungen durch falsche Vorschriften sind bekannte Effekt.
Klar: die Verantwortung für die falsche Entwicklung liegt nicht beim Automobilhersteller, sondern beim Vorschriftengeber. Dem sei zugestanden, dass er oft unter öko-populistischem Druck gezwungen wird, den gerade aktuellen Schadstoff zu geißeln. Da kommt dann zum Beispiel ein genau geregelter NEFZ heraus, für dessen Erfüllung auf dem Prüfstand nach dem Motto gehandelt werden kann: Was nicht verboten ist, ist erlaubt.
Aber auch abseits von legalen aber zweifelhaften Tricksereien führen Vorschriften wie der NEFZ zu ungewollten Nebeneffekten. Seit die Grenze von 95 Gramm Kohlendioxidemissionen (CO2) pro Fahrkilometer für den Durchschnittswert der Pkw-Flotte eines Hersteller steht, steht fest, dass die im gesetzten Zeitrahmen nur zu erreichen ist, wenn man den Benzinmotor mit zwei Antrieben flankiert: mit Dieselmotoren, weil deren Verbrauch rund 20 Prozent unter dem von Benzinmotoren liegt und mit Hybridantrieben. Mit dem gewollten Hochschnellen des Dieselanteils musste der Ausstoß an Stickoxiden (NOx) steigen. Und der Hybridantrieb bringt seine Verbrauchsvorteile gegenüber dem Diesel nur in bestimmten Betriebssituationen, wird aber über seine angepasste Hybrid-NEFZ politisch gewollt „schön gerechnet“.
Teurer sind sie beide. Es geht also schon wieder ins Geld, schon wieder wegen fester Grenzwerte. Die Vorschrift aus Brüssel verlangt nicht etwa die Halbierung des Verbrauchs über alle Fahrzeugklassen, sondern die 95 Gramm als Durchschnittswert der Flotte. Länder, die viele Kleinwagen produzieren haben es da leichter als die deutschen Hersteller mit ihren weltweiten Erfolgen im Premiummarkt. Das freut nun wieder unsere Aktivisten, die sowieso jedes Fahrzeug oberhalb des Fahrrades für überflüssig halten.
Bei Themen wie diesen – für die Umwelt und gegen die eigene Industrie – wird zu oft die Regel vergessen, die schon die alten Römer kannten, die Teil unserer Rechtsauffassung wurde und auch zu den Regeln des journalistischen Handwerks gehört: Man muss immer auch die andere Seite hören. In diesem Fall heißt das: Macht vernünftige Vorschriften, dann bekommt ihr auch vernünftige Lösungen. Zwei Wellen der Enteignungen habt Ihr den Autofahrern schon zugemutet und damit viele Milliarden Euro abgeschöpft.
1 Kommentar
Egide aus belgien
4. Juli 2016 21:57 (vor über 8 Jahren)
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