Interview Dr. Rainer Müller-Finkeldei, Technikchef Daimler Truck North America

Signifikante Anteile des Geschäfts werden E sein

Interview Dr. Rainer Müller-Finkeldei, Technikchef Daimler Truck North America: Signifikante Anteile des Geschäfts werden E sein
Erstellt am 6. Mai 2022

Noch in diesem Jahr wird Daimler Truck North America eine elektrische Version des Freightliner Cascadia heraus. Technikvorstand Dr. Rainer Müller-Finkeldei erklärt, warum das dennoch klappt, in welchen Bereichen ein elektrisch betriebener Lkw sogar Vorteile gegenüber einem Pkw hat und warum ein Akku-Technologietransfer von den Pkws zu den Lkws nicht ohne Weiteres machbar ist.

Herr Dr.‭ ‬Müller-Finkeldei,‭ ‬Daimler Truck North America bringt mit dem Freightliner eCascadia erstmals einen elektrisch betriebenen Lkw auf den Markt.‭ ‬Wie soll das in den USA mit den langen Strecken funktionieren‭?
Dr. Rainer Müller-Finkeldei: Wir haben von Anfang an mit unseren Kunden geredet. Die Frage ist ja nicht, ob wir so ein Fahrzeug bauen können, sondern ob der Kunde damit seinen Job machen kann. Die Rückmeldungen zeigen eindeutig, dass es Segmente gibt, in denen die Unternehmen mit der heute möglichen Reichweite zurechtkommen. Die Kunden fahren im Verteilerverkehr jeden Tag die gleiche Strecke, wissen auf die Meile genau, wo sie langfahren, wie viel Zuladung sie benötigen und wie lange sie nachts laden können. Diese Berechenbarkeit ist ein großer Vorteil eines Lkws gegenüber einem Pkw, wenn es um die batterieelektrischen Varianten geht.

Das heißt konkret‭? ‬Wie viele Meilen‭?
Müller-Finkeldei: Wir starten jetzt mit dem eCascadia in dem Verteilersegment und einer Reichweite von gut 200 Meilen. Geladen wird meistens während der Nacht im Depot. Das ist anders als beim Pkw, wo man eine öffentliche Ladestruktur braucht.

Wie schauen da die technischen Rahmenbedingungen aus‭?
Müller-Finkeldei: Die Batterie hat unter anderem eine Kapazität von mehr als 400 Kilowattstunden und erlaubt rund 16 Tonnen Zuladung. Das sind etwa zwei Tonnen weniger als beim konventionell betriebenen Cascadia.

Die können bei der kostensensiblen Logistikbranche den Unterschied ausmachen‭ …
Müller-Finkeldei: Das kommt auf den Einsatzzweck an. Bei Transporten, bei denen die Ladung viel Volumen hat, kann der Kunde gut mit dieser Einschränkung leben. Bei Stahlplatten ist natürlich das Gewicht das Entscheidende, dann muss das Unternehmen seinen Betrieb auf diese Umstände anpassen. Dennoch sind die Vorteile vielfältig. Ein elektrisch betriebener Truck fährt emissionsfrei und gerade im urbanen Umfeld wächst der Druck, keine Emissionen mehr zu erzeugen. Außerdem steigt so die Akzeptanz des Nutzfahrzeuges.

Damit ändert sich auch das Verhältnis zum Kunden‭?
Müller-Finkeldei: Ja. In Zukunft ist es nicht damit getan, einen Truck anzubieten. Wir helfen den Flotten außerdem die Lade-Infrastruktur zur Verfügung zu stellen und bieten die notwendigen Services dazu an. Das heißt, wir unterstützen den Kunden in der Übergangsphase zum elektrischen Truck, so dass er zum Beispiel für seinen Einsatzzweck auch die richtige Fahrzeugkonfiguration mit der entsprechenden Batteriekapazität bekommt. Der Kunde soll ja keine Batterie kaufen, die größer ist als das was er benötigt. Das wäre unnötiges Gewicht, das der Lkw durch die Gegend schleppt.

Wie weit geht die Beratung‭?
Müller-Finkeldei: Wir bieten sozusagen eine Rundum-Sorglos-Lösung an. Wir zeigen den Kunden mit Simulationen am Computer, wie der Einsatz seiner Elektro-Fahrzeuge aussehen kann. Unter anderem dafür haben wir die Electric Mobility Group gegründet, die auch für die Lade-Infrastruktur zuständig ist. Das sind die Experten, die mit den Unternehmen und den Energieversorgern zusammenarbeiten, um eine maßgeschneiderte Lösung zu finden, bei dem auch die Konnektivität eine große Rolle spielt.

Wie haben die Kunden auf die Elektro-Trucks reagiert‭?
Müller-Finkeldei: Durchaus positiv. Im Sinne von „Let’s do it!“. Wir arbeiten hier mit hochprofessionellen Logistikunternehmen wie Penske, NFI, Schneider oder Ryder zusammen, die Zehntausende Fahrzeuge in Dimensionen betreiben, die man sich in Europa gar nicht vorstellen kann. Das sind genau die Kunden, die uns die Rückmeldungen geben, die wir brauchen, um die Trucks auf die Straße zu bringen.

Wann werden die Trucks bei den Kunden sein‭?
Müller-Finkeldei: Sehr bald. Wir werden nicht nur in Kürze unseren neuen Freightliner eCascadia vorstellen, sondern auch einen elektrischen Freightliner eM2 im nächsten Jahr mit einem zulässigen Gesamtgewicht von maximal zwölf Tonnen, der vor allem im lokalen Verteiler- und Zustellverkehr auf der letzten Meile zum Einsatz kommt. Wir arbeiten bereits an der nächsten Fahrzeug-Generation, weil sich die Batterietechnik unglaublich schnell weiterentwickelt. Gegen Ende des Jahrzehnts oder vielleicht sogar früher kommt die auf den Markt, dann gehen wir in die Breite und signifikante Anteile des Geschäfts werden E sein.

Ist eine Koexistenz zwischen Wasserstoff-Trucks und solchen,‭ ‬die mit Batterien betrieben werden,‭ ‬möglich‭?
Müller-Finkeldei: Ja, durchaus. Aktuell können unsere batteriebetriebenen Trucks mehr als 200 Meilen zurücklegen, wir haben aber mehr als 300 Meilen im Visier, was im zweiten Halbjahr dieser Dekade klappen könnte. Vielleicht sind irgendwann sogar 500 Meilen drin, aber alles darüber hinaus ist mit der in dieser Dekade verfügbaren Batterietechnik schwer umzusetzen. Wir brauchen aber in diesem Land Fahrzeuge mit noch mehr Reichweite. Wenn man die mit null Emissionen bewältigen will, ist Wasserstoff die beste Lösung. Ein weiterer Vorteil ist, dass man Wasserstoff speichern kann, dagegen muss Strom beim Laden sofort zur Verfügung stehen.

Mercedes hat mit dem Vision EQQX mit einer Batterie,‭ ‬die nur halb so groß ist,‭ ‬wie die des EQS mehr als‭ ‬1.000‭ ‬Kilometer Reichweite geschafft.‭ ‬Wenn die Akkus so schrumpfen,‭ ‬ist das doch auch eine Lösung für Trucks‭?
Müller-Finkeldei: Das geht nicht ganz so einfach. Denn bei Lkws müssen wir im Gegensatz zu den Pkws bei den Batterien auf spezielle Sachen achten. Zum einen wirken in einem Truck ganz andere Kräfte, also müssen wir diese Batterien deutlich robuster konzipieren, als das in einem Pkw der Fall ist. Dann ist das Verhältnis von Zuverlässigkeit und Leistung sehr wichtig. Da geht es um die Balance zwischen Größe und Gewicht, außerdem muss die Batterie auch den ganzen Lebenszyklus eines Trucks durchhalten.

Spielen Feststoffbatterien in Ihren Planungen eine Rolle‭?
Wir schauen uns natürlich auch diese Technologie genau an. Wir haben ja einen Bus mit Feststoffbatterien angekündigt, allerdings sind die Ladezyklen und das Fahrverhalten eines Busses anders als bei einem Lkw, der auf dem Highway konstant seine Geschwindigkeit fährt. Im aktuellen Forschungsstadium sind Feststoffbatterien für Trucks noch nicht geeignet.

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