Der Camping- und Wohnmobiltrend nimmt immer gigantischere Formen an. Da machen die USA keinen Unterschied zu Europa. Das Unternehmen ADF Sprinter im kalifornischen Simi Valley macht aus langweiligen Mercedes Sprintern wahre Expeditionsmobile für Abenteuer auf vier Rädern.
Das unscheinbare Gebäude in einem gesichtslosen Gewerbegebiet von Simi Valley fällt keinem besonders auf und nicht einmal ein Firmenschild weist auf die ungewöhnliche Umbaufirma hin, die mit dem Abarbeiten der Aufträge kaum nachkommt. Allein die zahlreichen Mercedes Sprinter und ein paar Vitos – hier als Metris verkauft – neben dem Haupteingang deuten darauf hin, dass hier professionell an Fahrzeugen gewerkelt wird. Im Geschäftsraum sieht es aus wie bei einem Umzug – Campingstühle, Geschirr, Prospekte und Wände mit Designboards lassen erwarten, dass die Firma ADF Sprinter hier erst vergangene Woche eingezogen ist. Doch die Umbauspezialisten – 1987 gegründet - sind bereits seit Jahrzehnten hier am Standort. „Früher haben wir Imperials und Suburbans für Prominente oder Sportler umgebaut und Ford Excursions für Leute gepanzert, die immer mit viel Bargeld unterwegs waren. Doch seit 2002 haben wir uns auf dem Umbau von Mercedes Sprintern spezialisiert“, erzählt Firmengründer Ron Weaver, entspannt hinter seinem Schreibtisch sitzend. Mittlerweile hat sein Sohn Jeremiah die Zügel in der Hand und jongliert dutzende von Modellen zwischen den einzelnen Arbeitsbereichen. „Wir bekommen nicht genug Autos“, sagt Jeremiah Weaver, „wir haben vielleicht noch acht Metris im Vorlauf. Danach soll es erst einmal nur Elektromodelle geben. Wir müssen schauen, wo wir die Fahrzeuge herbekommen. Zum Glück haben wir einen guten Kontakt zu den Mercedes-Händlern und arbeiten eng mit ihnen zusammen.“
Die Nachfrage nach elektrischen Vans, die dann umgebaut werden sollen, ist überschaubar. Viel gefragter sind Mercedes Metris und Sprinter mit Vier- oder Sechszylinderdieseln – bestenfalls gleich mit Allradantrieb. Ein Teil der Kundschaft lässt die Modelle bei ADF Sprinter zu gewerblichen Nutzfahrzeugen umbauen. Mal sind es Nachfolger der einstigen Stretchlimousinen, die nach Las Vegas auf den Strip gehen, mal ist es ein mobiles Augenlabor für Schulen oder ein fahrbarer Beautysalon. Immer größer wird die Nachfrage nach umgebauten Campingmobilen. „Hier gibt es zwei Trends“, erzählt Ron Weaver, „die einen wollen einen möglichst günstigen, praktischen Camper. Sie folgen dem Vanlife-Trend.“ Heißt, am Wochenende oder an ein paar freien Tagen geht es mit Mercedes Metris (Vito) auf Campingplätze, an den Strand oder in einen Nationalpark. Hier wird beim Umbau mitunter noch selbst Hand angelegt und nachträglich individualisiert. So ein umgebauter Mercedes Metris / Vito kostet 80.000 bis 110.000 US Dollar; gerade einmal halb so viel wie die Anhänger des sogenannten Adventure-Life ausgeben, um ihren Mercedes Sprinter bei ADF zu einem rustikalen Offroad-Klettermaxen der Luxusklasse werden zu lassen. Allradantrieb, Unterfahrschutz mit Stollenreifen, ausziehbares Zelt, Seilwinde und LED-Strahlen rundum machen aus einem Standardmodell ein spektakuläres Abenteuermobil, das auch aus einem Jurassic Park Streifen der Hollywood Studios stammen könnte. „Mit dem kann man es dann schon einmal ein paar Tage oder Wochen in der Wildnis aushalten“, lächelt Jeremiah Weaver, „die Nachfrage ist gigantisch.“ Immer mehr Kunden verkaufen dafür sogar das eigene Haus, die eigene Wohnung oder verkleinern sich daheim drastisch und ziehen im Alltag der anderen Art mit ihren Abenteuer Sprinter durch ganz Amerika. Die anhaltende Corona Pandemie hat den Ausbruchstrend in die nordamerikanische Natur nochmals beschleunigt.
Adventure Life findet dabei längst nicht nur am Wochenende oder in den Ferien statt, sondern zieht sich dabei auch weit in Job und Leben. Freiberufler und Selbstständige in kreativen Berufen steigen mit ihrem Offroad-Sprinter nach einer Testwoche und der Bestellung des eigenen Traummobils gerne aus und leben ihren neuen Alltag in der freien Natur. Wyoming, Nebraska, Maine oder Colorado lassen grüßen und längst gibt es in den USA ganze Clubs oder Wohngemeinschaften von Entrepreneuren, die durchs Land ziehen und dem stationären Leben im Büro ganz oder teilweise abgeschworen haben. Hier wird bei der Ausstattung nicht aufs Geld geschaut und der Abenteuer Sprinter wird für 200.000 US Dollar oder mehr mit allem ausgestattet, sodass man in den abgelegenen Höhen der Rocky Mountains die neuen Ideen per Datentransfer zum Kunden schicken kann. Neben der kreativen Arbeit im mobilen Sprinterbüro wird Ski gefahren, geklettert, mit dem Mountainbike die Umgebung erkundet oder einfach an einem See mit Panoramablick ausgespannt.
Je nachdem wie umfangreich der Umbau eines klassischen Mercedes Sprinters oder eines kleinen Metris ist, müssen die Kunden oft länger auf den eigenen Traumvan warten. „Die Umbauzeit selbst liegt zwischen 8 und 15 Wochen“, erläutert Jeremiah Weaver, „je nachdem wie speziell die Sonderwünsche sind und ob wir auf bestimmte Teile warten müssen, kann es jedoch schon einmal etwas länger dauern.“ Pro Jahr entstehen bei ADF Sprinter in Simi Valley so rund 300 Fahrzeuge; 60 Prozent für den gewerblichen Einsatz und 40 Prozent als Camper der Kategorien Van Life oder Adventure Life. Wer unsicher ist, kann die Modelle bei ADF Sprinter auch einmal ausprobieren und kommt zumeist begeistert und mit einem Auftrag zurück.
Den zunehmenden Trend zur Elektromobilität sehen die ADF-Verantwortlichen dabei ganz entspannt. Doch bei Reichweiten unter 600 Meilen pro Akkuladung würde nach Ansicht von Ron und Jeremiah Weaver kaum ein Kunde auf die Fahrzeuge mit Stecker aufspringen. Daher ginge erst einmal alles um Dieselmotoren und große Lithium-Ionen-Batteriepakete, die zusammen mit den Solarpaneelen auf dem Dach für die Versorgung in der vermeintlichen Wildnis sorgen. Ausklappbare Dusche, hydraulisches Bett, das sich aus dem Hochdach ausklappt oder ein Wasservorrat von 175 Litern – im Edelcamper mit Stern fehlt es einem nichts, wenn man sich mit den überschaubaren Dimensionen im Innenraum anfreunden kann. „Der Trend wird hier immer größer und der Freiheitsdrang ist ungebrochen“, erzählt Umbau-Urgestein Ron Weaver, „als Basis von diesen Campingmobilen und Transportern gibt es mit Ford Transit, RAM Promaster und Mercedes Sprinter in den USA drei Modelle. Wir sind zwar die teuersten, aber die Leute wollen und bekommen eben auch einen Mercedes. Das macht den Unterschied.“
9 Bilder Fotostrecke | ADF Sprinter:
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