Einmal dürft Ihr raten, welches Auto sich 1995 als schnellste Limousine der Welt bezeichnen durfte. Es ist der hier gezeigte "Mercedes-W126-Dragster". Über 370 km/h schnell war diese XXL-Stretchlimo. Warum zieht sie sich eigentlich wie Kaugummi? Dass der Dragster derart in die Länge gezogen wurde, hat seinen guten Grund. Unter der Fiberglas-Hülle, deren Design einer Mercedes-S-Klasse-W126-Karosserie nachempfunden wurde, sitzt nämlich ein Westinghouse J34-Turbojet-Strahltriebwerk mit Nachbrenner für erhöhten Schub. Die Jet-Turbine leistet 15.000 PS. Das schiebt mächtig an.
Dieser ungewöhnliche Dragster im Mercedes-S-Klasse-Look, stand in der vergangenen Woche auf der US-Auktionsplattform "Bring A Trailer" zum Verkauf. 14 Gebote wurden abgegeben - dem Meistbietenden war die Skurrilität 23.000 US-Dollar wert. Das vom Verkäufer festgelegte Mindestgebot wurde damit aber nicht erreicht. Der Erstbesitzer baute Mitte der 90er Jahre den Drag-Racer auf Basis eines Rohrrahmen-Chassis. Darauf wurde eine Fiberglaskarosserie, die das Aussehen einer Mercedes-Benz W126-S-Klasse-Limousine nachahmt, gesetzt.
Für den schnellen Vortrieb auf der Sprintstrecke wurde ein Westinghouse J34-Turbotriebwerk mit Nachbrenner installiert. Zur technischen Ausstattung gehören ferner ein Aluminium-Heckspoiler, zwei Fallschirme, ein Feuerlöschsystem, Vierrad-Scheibenbremsen und polierte, mehrteilige Räder. Um das Fahrzeug, das für den normalen Straßenverkehr nicht zugelassen ist, von A nach B zu verbringen, gehört zum Angebot des Verkäufers noch ein dreiachsiger geschlossener Anhänger.
Es ist nicht so ohne weitere möglich, den Schub (=Kraft) eines Strahltriebwerks in Pferdestärken (=Leistung) umzurechnen. In dem nachfolgenden Video aus dem Jahr 1995, das den damals noch weißen "Mercedes-Dragster" auf dem Atco Dragway in New Jersey in Aktion zeigt, wird die Leistung des J34-Triebwerks, das über einen Schub von 14,5 kN verfügt, mit 15.000 PS angegeben.
Um der Wahrheit die Ehre zu geben, hat der W126-Look mit einem Topspeed von 235 Meilen / 378 km/h (105 m/s) an diesem Tag aber nicht 15.000 PS auf die Piste gebracht. Der Autor mag sich irren, weil er in Physik womöglich nicht immer gut aufgepasst hat, aber mithilfe der Größe 'Geschwindigkeit' lässt sich eine äquivalente PS-Leistung des J34 nämlich berechnen. Demnach: Power = (105 m/s x 14,5 kN) = 1,52 MW. 1,5 MW = 2.039 PS. Für den Moment auch nicht gerade von schlechten Eltern. Das 1953er Westinghouse J34-Turbotriebwerk bezieht seinen Kraftstoff übrigens aus einem seitlich angebrachten Tank. Zusätzlicher Schub wird durch einen dieselbetriebenen Nachbrenner erzeugt. Das Fahrzeug ist weder mit einem Getriebe noch mit einem Differential ausgestattet.
War der "Mercedes-S-Klasse-Dragster" ursprünglich einer mit weißer Weste, so bekam er später eine farbigere Optik in den Farben Lila, Orange, Gelb und Weiß plus ein paar Airbrush-Motiven hier und da. Der türenlose Dragster verfügt als Notausstieg für den Fahrer über eine Fluchtluke im Dach.
Die polierten, mehrteiligen 15-Zoll-Räder sind vorne mit Mickey Thompson Racemaster-Reifen und hinten mit Goodyear-Slicks bestückt. Gebremst wird über Vierrad-Scheibenbremsen sowie einen Haupt- und einen Notschirm.
Das alles andere als S-Klasse like Cockpit verfügt über einen integrierten Überrollkäfig und einen festen Schalensitz mit Impact-Gurten. Ein Feuerlöschsystem ist eingebaut, und rechts vom Fahrer befinden sich die Handregler für Gas, Fallschirm und Nachbrenner.
Vor einem Aluminium-Armaturenbrett mit Instrumenten zur Überwachung von Öldruck, Abgastemperatur und Motordrehzahl befindet sich ein Lenkradbügel mit Schnellspanner.
Übrigens: Wer auf Dragster mit Düse steht, aber keinen Stern mit Strahlkraft zu bewegen wünscht, für den hat der Verkäufer noch eine Gratis-Ersatz-Fiberglas-Karosserie ohne Mercedes-Look auf Lager.
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